Testbericht – Organteq Kirchenorgel von Modartt

Die Firma Modartt, aus der Nähe von Toulouse, hat sich mit ihrer Pianoteq Software einen weltweit guten Ruf erarbeitet. Vor gut drei Jahren suchte das Modartt Team um Professor Philippe Guillaume eine neue Herausforderung. So entstand die Idee für Organteq. Nach den ersten Erfahrungen erschien die Organteq Beta Version, die kostenlos, quasi zum Schnuppern, angeboten wurde. Jetzt erschien also die erste Vollversion. Und das gleich mit einer Kirchenorgel, die einen Spieltisch mit 3 Manualen, sowie eine Fußpedalerie mit 32 Noten hat. Die Anzahl der Pfeifen beträgt mehr als 1000. Die Orgel ist inspiriert durch den Orgelbauer Cavaillé-Coll. Für den Testbericht habe ich mir professionelle Hilfe geholt. Markus Roschinski ist studierter Musikwissenschaftler und Organist. Er spielt Orgel in mehreren Kirchen in der Westeifel und in Luxemburg.

Die Komplexität und die Unterschiede, welche zwischen einem Piano und einer Orgel bestehen:

Die einzigen Konstaten bei beiden Instrumenten sind die Frequenzen der einzelnen Töne. Bei einem Piano wird ein Ton erzeugt, indem man eine Taste drückt, welche mit einem Hammer verbunden ist, welcher dann die entsprechende Saite anschlägt. Je nachdem, wie fest die Taste gedrückt wird, hört man den Ton lauter, oder leiser. Drückt man bei einer Kirchenorgel eine Taste, geschiet erst eimal gar nichts. Denn zunächst muss der Blasebalg eingeschaltet werden, sofern er elektrisch bertrieben wird. Bei rein meschanischen Blasebälgen wird eine Person benötigt, die diesen betätigt. Ist der Luftdruck hoch genug, muss am Spieltisch der Orgel zunächst mindestens ein Register gezogen werden. Erst jetzt kann ein Ton, durch drücken einer Taste erzeugt werden. Drückt man die Taste, wird ein Luftstrom zur entsprechenden Pfeife geleitet und in ihr der Ton erzeugt. Weiterhin ist die Akustik ein Faktor. Ein Konzertflügel steht meist auf einer Bühne und das Publikum sitzt mit dem Gesicht zur Bühne in einem Saal. Der Ton trifft das Publikum also von vorne. In den meisten Kirchen ist es so, dass die Orgel erhöht, auf einer Empore eingebaut ist, umgeben von den Pfeifen. In der Kirche wird der Raum durch Säulen in das Mittelschiff und die Seitenschiffe getrennt und oft ist die Orgel so plaziert, dass der Ton die Besucher der Kirche von hinten erreicht. Alle diese Faktoren mussten also berücksichtigt werden, denn die Organteq Software basiert, genau wie die Pianoteq Pianos, auf der pysical modelling Technik, was bedeutet, das ein Ton, sobald die entsprechende Taste auf dem MIDI Keyboard gedrückt wird, in Echtzeit berechnet und erzeugt wird.

Download und Installation:

Die Organteq Software ist für Windows, Mac OS und Linux verfügbar. Nach Zahlungseingang, findet man den Downloadlink im Benutzerbereich der Modartt Webseite. Hier kann nun die benötigte Version herunter geladen werden. Die Software hat eine Größe von unter 15 MB und ist im Handumdrehn auf dem Rechner. Bei einer auf Samples basierten Software kommen da locker jede Menge GB zusammen. Nach der Installation muss zunächst die Stand Alone Version geöffnet werden, in der die Software registriert werden kann. Die Seriennummer findet sich ebenfalls im Benutzerkonto.

Die Benutzeroberfläche:

Nachdem die Software registriert ist und die Einstellungen für Audio und MIDI erledigt sind, erscheint dieser Startbildschirm. Im oberen Bereich befinden sich die Klappmenüs, für die Einstellungen. Darunter befinden sich, links und rechts, die Register. Mittig der mit 3 Manualen ausgestattete Spieltisch. Darunter die zwei Sustain Pedale, sowie verschiedene Möglichkeiten 2 Manuale, oder ein Manual und die Pedaleinheit miteinander zu koppeln. Darunter dann die Pedaleinheit.

Im Options Bereich können  unter anderen alle relevanten Einstellungen für die Benutzeroberfläche, die Speicherorte, die CPU Auslastung und die Tastaturkürzel vorgenommen werden.

In den MIDI Mappings kann die Anzahl der Manuale und der Pedale eingestellt werden, falls diese nicht schon in den Voreinstellungen hinterlegt sind. Hier ist nur ein Manual festgelegt.

Hier sind 3 Manuale und die Pedale eingestellt. Beide Einstellungen sind auch direkt über die Voreinstellungen zu aktivieren. Sind nur 2 Manuale und die Pedale vorhanden. kann man, nachdem man den Bereich markiert hat, ein Manual entfernen. Die eigenen Einstellungen können gespeichert und wieder abgerufen werden.

Es gibt noch mehr Einstellungen. So lassen sich zum Beispiel die Register nach eingenen Wünschen belegen und speichern. Dann sollte man sich allerdings eine Liste anlegen, damit man hinterher auch noch weiß, was wo ist.

Begrifferklärung:

Das Benutzerhandbuch kann als PDF Datei in den Sprachen Englisch und Französisch installiert werden. In der englischen Version kommen einige Begriffe vor, die für Verwirrung sorgen können. Deshalb hier eine kleine Hilfestellung:

Im deutschen Sprachraum wird der Teil einer Kirchenorgel, vor dem der Organist Platz nimmt, als Spieltisch bezeichnet. Der Spieltisch bietet mindestens ein Manual und eine Fußpedaleinheit, sowie die, mit dem Manual gekoppelten, Register. Im englischen werden Manuale und die Fußpedaleinheit als Keyboards bezeichnet. Das Wort Register wird auch im englischen verwendet. Im deutschen wird zwischen Einzahl und Mehrzahl unterschieden: das Register und die Register. Im englischen gibt es diese Unterscheidung nicht und so wird das Register als Register bezeichnet, eine zu einem Manual gehörige Gruppe von Registern wird als Stop bezeichnet. Mit Stops sind alle vorhandenen Register gemeint. Deutlich wird das, wenn man in der Benutzeroberfläche die Schaltflächen T und C betätigt. Ein Register kann mit einer einzigen Orgelpfeife verbunden sein, oder auch mit mehreren. Eine Gruppe von Orgelpfeifen, welche mit einem Register gekoppelt ist, wird im englischen Panel genannt.

 

Klangbeispiele:

Für die Klangdateien wurden MIDI Files von Viscount Organs UK verwendet. Bei den Einstellungen wurde 1 Keyboard und All Stops gewählt.

2 Manuale:

Komm Heiliger Geist – J.S. Bach

3 Manuale:

Preludium in G-Major – D. Buxtehude

Now thank all our god – J.S. Bach

Concerto in G-Major – Johann Ernst

Hier noch ein paar Klangbeispiele, die Markus Roschinski live auf seinem heimischen Orgelspieltisch eingespielt hat:

Belier Toccata

Buxtehude Ciacona

Buxtehude Puer natus

Fuge in G

Fazit:

Das Fazit wurde von Markus Roschinski verfasst.

Der Klang hat mich nicht ganz überzeugt, die typischen Charaktere der einzelnen Register kommen nicht klar zum Ausdruck, er erinnerte mich da schon an die ersten digitalen Kirchenorgelnachbauten der 80er und 90er Jahre. Die Bedienung und die Optik ist nicht spielefreundlich und unübersichtlich, umregistrieren beim Spielen ist kaum möglich (zu kleine Bedienelemente und zu sehr verstreut angeordnet und nicht klar beschriftet. Eine weiter gehende MIDI Steuerung der Spielelemente vermisse ich bzw. habe ich nicht gefunden.

Der Preis ist im oberen Bereich für die Software aber noch OK.

Meiner Meinung taugt die Software zum Experimentieren mit Orgelklängen als zusätzlicher Kolorit in Studioumgebungen, als ‘Ersatz’ für eine Orgel halte ich sie nicht für brauchbar.

Meine Anmerkung:

Markus hat ein Hauptwerk Sytem zu Hause und hat die Organteq-1 Software mit seinem Sytem verglichen. Hauptkritikpunkt ist der Klang. Dem Hauptwerk Sytem und den verfügbaren Orgeln, welche auf Samples beruhen und original von Hauptwerk kommen gegenüber, ist der Klang der Organteq-1 Software weniger voll und weniger detailreich. Es gibt aber auch Orgelsoftware, von Drittanbietern für Hauptwerk, welche miserabel klingt.

Was die Bedienbarkeit angeht, gibt es für das Hauptwerk System einen Touchscreen Monitor, auf den die Benutzeroberfläche optimiert ist. Wird ein größerer Monitor verwendet, wird die Schrift pixelig und verschwommen. Da ist Organteq von der Auflösung her klar im Vorteil. Andererseits sind die Bedienelemente und somit auch die Einstellmöglichkeiten bei Hauptwerk sehr viel umfangreicher. Organteq-1 orientiert sich, was die Bedienelemente angeht, an der Benutzeroberfläche von Pianoteq. Das soll wohl dazu dienen, Pianoteq Benutzern einen einfachen Einstieg in Organteq zu ermöglichen.

 

 

 

5 Kommentare

  1. Thomas Kuhlmann

    Ich war sehr gespannt auf die erste Version von “Organteq” und bin nun von vielen Dingen positiv angetan – so ist die klangliche Umsetzung einer Cavaillée-Coll Orgel grundsätzlich gut gelungen. Das Modelling-Verfahren ist dabei äußerst sparsam in Bezug auf die Speicherressourcen des PC, nicht aber dagegen in Bezug auf die Prozessorgeschwindigkeit. So ging die Orgel im Tutti buchstäblich “in die Knie” und zeigte Verzerrungen und Tonaussetzer, weil schlicht die Grenzen in der Geschwindigkeit der Datenverarbeitung erreicht waren. Bei der Verwendung von “Grandorgue” hatte ich dieses Problem nicht – auch auf der Friesach-Orgel lässt sich das Tutti gut darstellen – wenn der Arbeitsspeicher ausreichend bestückt ist, in meinem Falle 16 Gb. Eine weitere sehr lästige Einschränkung war die Wirkung des Schwelltritts, der bei “Organteq” überhaupt nicht die Dynamik einer Cavaillée-Coll Orgel wiedergeben konnte (mein Eingabeinstrument ist die Johannus Studio 150), bei “Grandorgue” überhaupt kein Problem.
    Einer der Hauptgründe, mich überhaupt mit Sample- oder Modelling Software zu befassen war die unfassbar geringe 8 stimmige Polyphonie der Johannus Studio 150. Dieses Problem war mit “Grandorgue” verschwunden, auch im Tutti, während “Organteq”, wie schon beschrieben, hier schnell seine Grenzen fand und grausige verzerrte Klänge produzierte. Mag sein, dass ich noch nicht alle Möglichkeiten von “Organteq” entdecken konnte – mein Eindruck ist, dass hier noch erhebliches Entwicklungspotential bleibt, bevor der Verkaufspreis von 249 Euro wirklich gerechtfertigt wäre.

    • Hallo Thomas

      Vielen Dank für den Kommentar! Wie du dem Testbericht entnehmen kannst, waren wir auch nicht unbedingt zufrieden, mit dem Klang und der Bedienbarkeit. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die Entwicklung einer solch komplexen Software auf der Basis von Physical Modelling eine Herausforderung ist und Zeit braucht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Software weiter verbessert werden wird. So, wie es auch bei Pianoteq der Fall war. Die allerersten Versionen hatten bei Leibe nicht die Qualität der jetzigen Version. Was den Preis angeht, so ist es bei Modartt üblich, das es eine ganze Reihe von kostenlosen Updates, innerhals einer Versionsnummer gibt. Wenn man das und die Entwicklung mit einbezieht, ist der Preis, meiner Meinung nach, nicht zu hoch.
      Gruß Martin

  2. Orgelsoftware mit physical modelling spielt in einer eigenen Liga. Ein Vergleich mit Sampling kann unfair sein. Mich hätte vor allem interessiert, wie Organteq im Vergleich zu Aeolus zu bewerten ist. Diese Software schlägt sich ganz wacker (wenn auch der Ton steriler klingt als bei den Samples von GrandOrgue), hat aber keine Streichregister, was ich im Hinblick auf Orgelmusik der Romantik enttäuschend finde. Wenn Organteq sich an einer Cavaillé-Coll-Orgel orientiert, dann wäre für mich die spannendste Frage, wie gelungen die Streichregister sind.

    • Hallo Andreas
      Leider kenne ich die von dir genannten Orgelemulationen nicht. Ich habe den Organteq Testbericht einem professionalen Organisten überlassen. Er war von der ersten Version nicht ganz überzeugt, was das Klangbild angeht. Mittlerweile gab es ja schon ein paar Updates. Was mir gefehlt hat, war der Raumklang. Wir haben im Testbericht die Organteq Software mit der von Hauptwerk verglichen, welche wohl am verbreitesten ist. Und Markus nutzt diese Software seit Jahren. Von daher mußte er sich erst einmal umgewöhnen. Ich hatte mir die Testversion von Hauptwerk installiert und einige Orgelemulationen angespielt. Abgesehen von zwei, oder drei recht teuren Produkten von Drittanbietern, fand ich die Organteq Software besser. Wie gesagt, bis auf den Raumklang, welcher für mich zu wenig voluminös ist. Eventuell können dir andere Leser auf deine spezielle Frage noch konkretere Antworten geben.

      LG Martin

      • Hallo nochmal

        Habe mich gerade mal schlau gemacht, was die von dir genannte Software angeht. Beides sind Linux Programme, die schon lange nicht mehr weiter entwickelt wurden, soweit ich das recherchieren konnte. Das ist das generelle Problem von Linux. Es gibt immer wieder gute Ansätze und dann hat der Entwickler keine lust, oder keine Zeit mehr und das Projekt ist quasi tot. Modartt Organteq ist ja auf allen drei Plattformen (WIN, MAC und Linux) installierbar und wird von einer professionellen Firma angeboten. Ich bin sicher, das neben den bisherigen Updates (mittlerweile Version 1.06) auch noch weitere folgen werden. Zudem denke ich, das die derzeitige Orgel noch einige Geschwister bekommen wird. Alles eine Frage der Zeit. Pianoteq, von der gleichen Firma hat auch einige Jahre gebraucht, um die derzeitige Perfektion zu erreichen.

        LG Martin

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